Klagefristen beachten, Beklagten aussuchen
So können Wirecard-Geschädigte ihre Ansprüche durchsetzen
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DR. Andreas Sasdi
Die sieben wichtigsten Fragen für erfolgreiche Klagen im Jahrhundert-Skandal. Wie Quack Legal die Aussichten sieht – und wie Anwalt Andreas Sasdi vorgehen würde
Lesen Sie hier: Tilp Anwalt wechselt zu BSB Quack Gutterer
Wann:
BSB Quack Gutterer hat sofort nach der Wirecard-Insolvenz prozessrelevante Informationen gesammelt. Jetzt empfehlen wir ein schnelles Handeln. Sonst droht dem Kläger die Gefahr, dass er mit seiner Forderung leer ausgehen wird, weil ihm andere klagenden Anleger mit ihren Vollstreckungstiteln zeitlich zuvorgekommen. Letzteres wäre insbesondere dann ärgerlich, wenn die Haftungsbegrenzung nach § 323 Abs.2 HGB in Höhe von 1 Million Euro greifen sollte.
Was:
Ernst & Young wird nicht aus freien Stücken eine Pflichtverletzung und den Ersatz des daraus entstandenen Schadens anerkennen. Aus diesem Grund empfehlen wir, Ansprüche gegen die Abschlussprüfer von Wirecard gerichtlich klären zu lassen. Zuständig wäre im Zweifel das Landgericht Stuttgart, da sich die Hauptfiliale von Ernst & Young in Stuttgart befindet.
Wie:
Wir haben in einem ersten Schritt mit einer Klage für einen Großinvestor aus Katar begonnen. Die dabei sorgsam ermittelten Erkenntnisse machen wir auch für weitere Kläger nutzbar, um einen für sämtliche Anleger bestmöglichen Vergleich mit Ernst & Young auszuhandeln. Ferner werden wir klären, inwiefern durch die subjektive Klagehäufung Prozesskosten eingespart werden können, was sämtlichen geschädigten Anlegern zugutekommen könnte.
Die sieben wichtigsten Fragen
Etwaige Ansprüche gegen den Wirecard-Konzern werden in die Insolvenzmasse fallen. Ansprüche gegen die Vorstände werden mangels ausreichender Liquidität nicht durchsetzbar sein, da die Vorstände im Zweifel bereits ihr Vermögen ins sichere Ausland verschoben haben dürften. Als geschädigter Aktionär oder Anleihegläubiger des Wirecard-Konzerns könnte allerdings die Möglichkeit bestehen, den Kursverlustschaden der Wirecard-Aktien und/oder den Verlust des Anleihekapitals des 0,5-Prozent-Bonds von den damaligen Abschlussprüfern von Wirecard, Ernst & Young, als Schaden ersetzt zu bekommen. Diese Wirtschaftsprüfergesellschaft hatte ihre Pflichten als Abschlussprüfer massiv verletzt.
Da Ernst & Young über eine gute Liquidität verfügt, dürfte ein Urteil gegen das Beratungsunternehmen auch vollstreckbar sein. Wenn Ernst & Young für den zu ersetzenden Schaden aufzukommen hat, würde im Zweifel die Haftpflichtversicherung einspringen. Die Haftungsbegrenzung nach § 323 Abs. 2 HGB auf eine Million Euro pro Prüfung dürfte bei einer Prospekthaftung im engeren Sinne und bei einem deliktsrechtlichen Anspruch nach § 826 BGB nicht greifen. Denn hier würde nicht auf den Vertrag abgestellt werden, sondern auf das in Anspruch genommene Vertrauen.
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Auf welche Rechtsgrundlage würde eine Klage von Wirecard-Geschädigten gegen Ernst & Young gestützt werden? Welche Pflichtverletzungen werden Ernst & Young zum Vorwurf gemacht?
Wir würden die Klage auf zwei Anspruchsgrundlagen stützen.
In Bezug auf die Anleihe zum einen und auf die Prospekthaftung im engeren Sinne, weil der Wertpapierprospekt die finanzielle Situation und Ertragskraft des Wirecard-Konzerns unzutreffend wiedergegeben hat. Für den Prospektinhalt des Anleiheangebots des Wirecard-Konzerns müssen zwar in erster Linie diejenigen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der sogenannten “Hintermänner”. Darüber hinaus haften jedoch auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind.
Wie der BGH in seinem Urteil vom 15. Dezember 2005 (III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 Rn. 19 f) und seinem Urteil vom 21.02.2013 (BGH III ZR 139/12) ausgeführt hat, kann auch das Jahresabschlusstestat eines Wirtschaftsprüfers seine Haftung als “Garant” für ihm zuzurechnende Prospektaussagen begründen, sofern seine entsprechende Tätigkeit nach außen erkennbar geworden ist. Von einem solchen Sachverhalt dürfte nach den bisher getroffenen Feststellungen auszugehen sein, zumal Ernst & Young bewusst war, dass die uneingeschränkten Testate der Konzernabschlüsse für die Jahre 2017 und 2018 für die Einwerbung von Anleihekapital im Rahmen des 500-Millionen-Euro-Bonds von wesentlicher Bedeutung war. Das Risiko einer Anleihe beschränkt sich mangels Kursrisiko gerade auf das Bonitätsrisiko, welches von der Ertragskraft und der finanziellen Situation des Konzerns abhängig ist. Ferner sind Ernst & Young in der Funktion als Abschlussprüfer bei der Vorbereitung und Strukturierung des Bonds vom Wirecard-Vorstand einbezogen worden. Sie wussten daher auch, dass der Erfolg dieses Bonds maßgeblich von ihrem uneingeschränkten Testat abhängig war.
Zum anderen würden wir unsere Klage (insbesondere für Aktionäre) auch auf einen deliktsrechtlichen Anspruch nach § 826 BGB stützen. Entscheidend für diesen Anspruch ist, dass der Abschlussprüfer – etwa durch nachlässige Ermittlungen oder gar durch “ins Blaue hinein” gemachte Angaben – eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Testats oder den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Testat für deren Entschließung hatte, und der in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss (OLG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2011, a.a.O., juris Rn. 31). Von diesen Voraussetzungen dürfte aus nachfolgenden Gründen auszugehen sein.
Ernst & Young hat keinerlei Einschränkungen in ihrem Bestätigungsvermerk für das Jahr 2018 vorgenommen. Nach mehreren „Financial Times“-Berichten gab es aber klare, später auch von KPMG im Sonderprüfungsbericht angesprochene Indizien dafür, dass die Zahlen von Wirecard nicht stimmen konnten. Hier sind die wichtigsten Indizien:
a) Drei indische Unternehmen wurden von einem Fonds zu einem Kaufpreis gekauft, welcher 300 Millionen Euro höher lag als der kurz zuvor bezahlte Kaufpreis des Fonds. Ferner sollten an dem Fonds Personen beteiligt gewesen sein, welche eine leitende Funktion innerhalb des Wirecard-Konzerns innehatten. Indizien, die sich selbst mit einer eigens von Ernst & Young gebildeten Ermittlungsgruppe nicht aufklären ließen, wenngleich der Hinweis von einem Whistleblower von Ernst & Young stammte. Im Sonderprüfungsbericht von KPMG steht, dass die wirtschaftlich berechtigten Inhaber des Fonds selbst im Jahr 2020 nicht mehr ermittelt werden konnten. KPMG konnte auch die Kaufpreisbildung nicht nachvollziehen. Gleichwohl ließ Ernst & Young den Konzernabschluss mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk testieren, welcher im Lagebericht sogar den Eindruck vermittelte, als ob die Anschuldigungen, die seinerzeit im Januar 2018 von Financial Times erhoben wurden, in Zusammenarbeit mit einer vor Ort ansässigen Rechtsanwaltskanzlei aufgearbeitet und ausgeräumt werden konnten.
b) 2018 wurden nahezu sämtliche Gewinne des Wirecard-Konzerns über drei für das Asien-geschäft beauftragte Drittpartner erzielt. Diese wurden von einem in Dubai ansässigen Tochterunternehmen des Wiredcard-Konzerns beauftragt, von dem Ernst & Young erkennbar keine Nachweise für die erteilten Aufträge und dabei erwirtschafteten Erträge eingefordert hatte. KPMG sah sich ausweislich des Sonderprüfungsberichts von April 2020 selbst nicht dazu in der Lage, die angeblichen Erträge der drei Tochtergesellschaften festzustellen.
c) Die Barabsicherung in Höhe von knapp 1 Mrd. Euro (später 1,9 Mrd. Euro), welche diese Drittpartner-Geschäfte 2018 absichern sollte, existierte nicht. Die drei oben genannten Wirecard-Gesellschaften verpflichteten sich gemäß des Sonderprüfungsberichts von KPMG dazu, die drei Drittpartner von Vermögensverlusten aus der Geschäftsbeziehung schadlos zu halten. Diese Haftungsübernahme sollte insbesondere etwaige Schäden der Drittpartner aus der Rückabwicklung von Zahlungsvorgängen sowie gegebenenfalls von Kartennetzwerkorganisationen verhängte Strafzahlungen umfassen. Selbst die kritischen „Financial Times“-Berichte hatten die Beklagten seinerzeit nicht dazu veranlasst, über einen derart hohen Sicherungsbetrag eine Bankbestätigung einzufordern, wenngleich das den üblichen Prüfungsstandards entsprochen hätte. Die Absicherung erfolgte über unbekannte Treuhänder in Singapur und auf den Philippinen, die Ernst & Young keinerlei Bankunterlagen wie z.B. eine Saldenbestätigung aushändigten und ihre Treuhandkonten bei lokal ansässigen Banken verwalteten. Schließlich hatte Ernst & Young die angeblichen, nicht näher geprüften Kontoguthaben auf diesen Treuhandkonten bilanziell als Zahlungsmittel bzw. Zahlungsmitteläquivalente behandelt, obwohl sie einer treuhänderischen Sicherungsabrede unterlagen und damit einem Rückbelastungsrisiko ausgesetzt waren, was im Sonderprüfungsbericht von KPMG auch scharf kritisiert wurde.
Wann verjähren die Ansprüche der Wirecard-Geschädigten?
Deliktsrechtliche Ansprüche unterliegen einer Regelverjährung von drei Jahren ab Kenntnisnahme der anspruchsbegründenden Umstände. Etwaige Ansprüche wegen Prospekthaftung im engeren Sinne verjährten bislang bereits sechs Monate nach Kenntnisnahme der anspruchsbegründenden Umstände. Bislang liegt noch keine gesicherte Rechtsprechung darüber vor, ob sich an der Verjährung durch die Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts etwas geändert hat. Sofern nicht, dürfte die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Vorstands der Wirecard AG vom 22. Juni 2020 zu laufen beginnen, in welcher dieser zum ersten Mal einräumen musste, dass die Treuhandkonten über 1,9 Milliarden Euro vermutlich nicht existieren dürften. In dem Fall würde der Anspruch am 22. Dezember 2020 verjähren.
Welchen Klageweg würden wir als potentielle Vertreter von Wirecard-Geschädigten gegen Ernst & Young einschlagen?
Eine Musterfeststellungsklage nach dem KapMuG kommt nur bei irreführenden, falschen oder unzureichenden öffentlichen Kapitalmarktinformationen zur Anwendung. Nachdem Ernst & Young keine Kapitalmarktinformation veröffentlicht hat, kommt allenfalls eine Anwendung des KapMuG-Verfahrens in Bezug auf den Wertpapierprospekt der Anleihe in Betracht, für welchen Ernst & Young als Garant mittelbar haften könnte.
Da dem deutschen Recht eine Sammelklage (anders als die class action in den USA) fremd ist, wäre noch an eine subjektive Klagehäufung zu denken, bei der im selben Prozess mehrere Kläger im eigenen Namen auftreten. Der Vorteil dieser Vorgehensweise würde darin bestehen, dass sich die Kläger die Gerichtskosten teilen, da diese – wenngleich bei einem höheren Gesamtstreitwert – auf mehrere Köpfe verteilt werden.
Wir gehen davon aus, dass sich Ernst & Young gegen eine Klage mit aller Macht wehren wird, da die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht. Aus diesem Grund dürfte ein Rechtsstreit frühestens in der zweiten Instanz, im Zweifel sogar erst beim BGH entschieden werden, so dass die klagenden Aktionäre oder Anleihegläubiger frühestens in 3 Jahren ihre Forderung oder einen Teil hiervon (im Falle eines Vergleichs) durchsetzen können, vorausgesetzt der Rechtsstreit geht für sie vorteilhaft aus.
Wo ist die Wirecard-Klage gegen Ernst & Young einzureichen?
Die Klage würden wir in Stuttgart einreichen, da sich hier die Hauptzentrale von Ernst & Young befindet. Durch die vielen Massenverfahren, die wir in Stuttgart betreut hatten und auch noch betreuen, verfügen wir bei nahezu sämtlichen Kammern des Landgericht Stuttgart über ein gutes Verhältnis zu den Richtern.
Wie sind die Erfolgschancen?
Wir sehen in einer Klage gegen Ernst & Young die höchste Wahrscheinlichkeit, als Wirecard-Geschädigter den immensen Verlust der Wertpapiere noch ausgleichen zu können. Gleichwohl können wir die Erfolgschancen nicht konkret und rechtsverbindlich beziffern, da der Erfolg des Rechtsstreits weitestgehend davon abhängen wird, welche Tatsachen im laufenden Strafverfahren noch zu Tage kommen und welchen Vortrag die Gegenseite zu ihrer Entlastung noch vorbringen wird.